Deutschland auf eigenen Wegen: Die Emanzipation von Frankreich

Die deutsche Entwicklungsministerin Svenja Schulze hat trotz fehlender Anzeichen für eine Rückkehr zur Demokratie Burkina Faso besucht. Während Frankreich auf Abschottung gegen Militärdiktaturen pocht, hat Deutschland sich entschieden, weiter in der Region aktiv zu bleiben. Dies kann als Signal einer deutschen Emanzipierung von Frankreich in Westafrika gewertet werden. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind angespannt, besonders wegen Differenzen in der Ukraine-Frage und der Terrorismusbekämpfung in der Sahelzone. Frankreich hat die Zusammenarbeit mit den Putsch-Staaten eingestellt, während Deutschland und Italien weiterhin in der Region präsent sind. Russland verstärkt ebenfalls seinen Einfluss in Westafrika, vor allem durch militärische Abkommen und „Soft Power“-Strategien. Deutschland und Italien sind besorgt über zunehmende illegale Migration aus der Sahelzone. In Burkina Faso sind deutsche Soldaten stationiert, und es besteht die Frage, ob eine Annäherung an russischen Einfluss die rote Linie überschreiten könnte.

Deutschland setzt auf Dialog mit Burkina Faso

Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich

Darf man als deutsches Regierungsmitglied mit Burkina Faso ein Land besuchen, in dem es nach zwei Jahren Militärherrschaft keine Anzeichen für eine Rückkehr zur Demokratie gibt? Das sich Moskau anbiedert, seit Jahresbeginn sogar 100 russische Soldaten für den Schutz von Junta-Chef Ibrahim Traoré einsetzt, wohl aber auch gegen rivalisierende Flügel der eigenen Armee?

Während Frankreich auf eine europäische Politik der Abschottung gegen die Militärdiktaturen in Burkina Faso, Mali und Niger pocht, hat die deutsche Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) diese Frage mit „Ja“ beantwortet. Sie ist am Montagmorgen für einen zweitägigen Besuch in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou aufgebrochen, wo es auch „politische Gespräche mit der Übergangsregierung“ geben soll.

Ost-West-Konflikt in der Sahelzone

Die Reise, die Schulze danach noch in das vergleichsweise stabile Benin führt, passt ins Bild der zuletzt angespannten Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich. Beide Länder werfen sich vor, nicht genug für die Ukraine in ihrem Verteidigungskampf gegen die russische Aggression zu tun. Zuletzt lösten Aussagen von Präsident Emmanuel Macron, der über eine Entsendung von Bodentruppen spekulierte, Aufregung in Berlin aus.

Vor diesem Hintergrund müssen die Aussagen von Parteikollegin Schulze vor ihrer Abreise betrachtet werden. „Die sich ausbreitenden Terrorgruppen und der wachsende russische Einfluss in der Region haben das Potenzial, eine ganze Region in Europas Nachbarschaft zunehmend zu destabilisieren“, sagte die Ministerin. Und dann: „Wir in Deutschland und Europa sind gut beraten, uns weiter in dieser Region zu engagieren.“

Russlands wachsender Einfluss in Westafrika

Viele Versprechungen aus Moskau, wie etwa der Bau von Atomkraftwerken, werden sich mittelfristig als heiße Luft erweisen. Aber dass der Einfluss Putins in Westafrika bedrohlich steigt, ist unbestritten. Über Militärabkommen, aber auch bei der sogenannten „Soft Power“: Erst im Dezember wurde ein neues Kulturzentrum in Burkina Faso eröffnet. Auch vom Kreml bezahlte Desinformationskampagnen laufen.

Deutschland und Italien treibt auch die Sorge vor zunehmender illegaler Migration aus der Sahelzone um. Nach Aufhebung eines strengen Anti-Schlepper-Gesetzes im vergangenen Herbst brechen derzeit wieder jeden Montag aus Nigers Wüstenstadt Agadez rund 50 Pickup-Trucks in Richtung Libyen auf.

Deutschland setzt auf Dialog und Humanitäre Hilfe

Neu sind die deutsch-französischen Differenzen in Westafrika nicht. Als noch französische Kampftruppen statt russischer Wagner-Söldner in Mali den Kampf gegen den Terror anführten, hatte sich Frankreich auch von Deutschland die Beteiligung an aktiven Einsätzen gegen die Islamisten erhofft. Berlin beließ es damals jedoch beim äußerst aufwendigen aber wenig wirksamen Minusma-Einsatz.

Das Entwicklungsministerium hat in Burkina Faso derweil einige seiner umfangreichsten und dringendsten Projekte in Westafrika aufgebaut, das Land ist seit Jahrzehnten enger Kooperationspartner. Vor lauter Geopolitik gerät bisweilen in den Hintergrund, dass auch humanitär viel auf dem Spiel steht. Burkina Faso, übersetzt das „Land der aufrechten Menschen“, gehört zu den zehn ärmsten Ländern der Welt – besonders, seit es zu den Epizentren des globalen Terrors zählt.

Fazit

Die Beziehungen zwischen Deutschland, Frankreich und anderen europäischen Ländern werden in Bezug auf die Politik in der Sahelzone zunehmend komplexer. Während Frankreich auf Abschottung setzt, wählt Deutschland den Dialog und setzt auf humanitäre Hilfe. Der wachsende russische Einfluss in der Region sowie die Sorge vor illegaler Migration treiben beide Länder um. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation in Burkina Faso und anderen Sahelstaaten entwickelt und wie Deutschland und Europa darauf reagieren werden.

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